Geschichte des Lindersberg

Lindersberg 1958 bis heute

Eine geschichtliche Zusammenfassung von Ernst-Wolfgang Plischke

Vom Forschungslabor zur Jugendburg

1941/42 wurde die Burg Feuerstein als privates Forschungslaboratorium des Professors Oskar Vierling erbaut. Er benötigte ein Gelände das abseits vom Verkehr, gleichzeitig aber auch für weitreichende Funkversuche zentral in Deutschland gelegen sein sollte. Die Bergkuppe des „Hasenbergs“ bei Ebermannstadt erfüllte diese Voraussetzungen. Warum die Burgform? Man brauchte für die Versuche einen hohen, massiven Turm und wegen der exponierten Lage schien es zweckmäßig, das Bild des Bauwerks dem Gesamtbild der Fränkischen Schweiz anzupassen. Im Herbst 1942 wurde mit den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik begonnen. Für alle drei Wehrmachtsteile wurde gearbeitet. Nach dem Krieg erwarb der Erzbischöfliche Stuhl die aus weißem Tuffstein errichtete Burg und baute sie als Treffpunkt und Bildungsstätte für die katholische Jugend aus. Der „Kleine Feuerstein“ wurde all denen bekannt, die nach dem Krieg auf Burg Feuerstein weilten. Zuvor diente er als Gegenstation – daher auch der Turm – für die Funkversuche, gehörte also zu seinem „großen Bruder“.

Kleiner Feuerstein als Stammesheim

Das Gebäude hatte seine Funktion verloren und wurde mehr und mehr ein Objekt für „Freibeuter“, sodass man nach 1946 ernsthaft den Abriss erwog. Zeitweise diente es dann als Übernachtungsstätte für den Hausmeister von Burg Feuerstein. Im Jahr 1956 bekam der Stamm „Obere Pfarre“ aus Bamberg auf seinen Wunsch hin und mit der Unterstützung von Landeskurat Jupp Schneider das Haus als Stammesheim. Mit Hilfe der Burg Feuerstein gingen die Pfadfinder daran, den „Kleinen Feuerstein“ einigermaßen bewohnbar zu machen, was auch bedingt gelang.

Plumpsklos und Mäuseheere

Wie sich bald herausstellte war der Stamm jedoch mit dieser Aufgabe überfordert. Im September 1957 besichtigte Landesfeldmeister Bert Nowak, seine Frau Helene und der Stammesführer der Oberen Pfarre, Robert Wich, das Gebäude. Die Situation war nicht erfreulich: Defekte Stromleitungen, die meist nur 50% der Spannung brachten und hinter dem Haus waren lediglich zwei Plumpsklos vorhanden. Das Wasser mußte mit dem Tankwagen vom Feuerstein gebracht werden und wurde mittels Einfüllstutzens am Turm in eine Zisterne gefüllt. Der Turm war offen – hatte also kein Dach! Eine Zinkwanne bildete die Abdeckung und schützte vor Regen und Schnee. Den Zugang nach oben bildete eine darin eingelassene Klappe. Und – ein Heer von Mäusen bevölkerte die Räume und macht diese nur bedingt nutzbar.

Land Bamberg übernimmt

Trotz dieser nicht gerade berauschenden Voraussetzungen übernahm das Land Bamberg (Diözesanverband) 1958 das Haus vom Eigentümer, dem erzbischöflichen Ordinariat, zur Nutzung und ging daran, es für seine Zwecke umzugestalten. (Es ist bis heute im Besitz der Diözese). Mit Geld vom Bayer. Jugendring oder von der Diözese war zunächst nicht zu rechnen. Mit wenigen Mitteln und nach vielen Rückschlägen, brachte man es fertig das Ziel zu erreichen. Gelungen ist dies durch den hohen persönlichen Einsatz von Bert und Helene und des gesamten Vorstands der Landespfadfinderschaft Bamberg e.V. Dazu wurden alle Familienmitglieder, Ehefrauen, Kinder und Mütter herangezogen und über viele Jahre hinweg so manches Wochenende geopfert. Schon die Worte im Landesrundbrief Februar 1958 wiesen darauf hin, dass es nicht leicht werden würde: „Das Werk ist begonnen. Man wird uns daran messen. Wie wird das Urteil wohl sein? Wir haben im Vertrauen auf Euch diese Last übernommen, wer hilft mit, sie zu tragen?“ Mitgetragen wurde die Last dann auch durch die Pfadfinder des Landes, die zukünftig durch Bausteinaktionen und Jahresmarken ihr Scherflein beitrugen. Eine der ersten Maßnahmen, die wie manch andere durch das Personal vom Feuerstein abgewickelt oder unterstützt wurde, war dem Turm ein Dach zu verschaffen. Dadurch entstand das verglaste Turmzimmer, das sich bis heute ungebrochener Beliebtheit erfreut.

Hörfehler prägt den Namen

Und der Name? Wieso Lindersberg – wo sind denn die Linden? Oder hat es was mit „Not lindern“ zu tun? Das würde schon eher passen zu dieser Zeit. Tatsache ist, dass die Gemarkung dort „Lindesberg“ heißt. Als man diese Bezeichnung hörte, wurde der Name für das Haus übernommen – allerdings mit einem R darinnen. Man darf sich ja wohl mal verhören. Das unverwüstliche Schild „Pfadfinderhaus Lindersberg“ an der Frontseite tat es allen kund. Es wurde vom Stamm Neustadt/Coburg angefertigt und hängt schon weit über 30 Jahre dort. Auf dem Bild mit dem Lagertor von 1971 ist es jedenfalls schon zu erkennen.

Straßenbau, 17 m auf dem Weg zum Lindersberg

Beim bundesweiten Wettbewerb um den „Georgsschild“ wurde 1958 auf Landesebene gleich die praktische Aufgabe für die beteiligten Sippen in den Dienst des Hauses gestellt. Neben dem vom Bund vorgegebenen Modellbau (Winteraufgabe), wurde von der Landesleitung die Aufgabe gestellt: Bau einer Straße beim Lindersberg mit den dort vorhandenen Mitteln. Dazu ein Ausschnitt aus der Chronik der Sippe „Habicht“, Fürth, die dann als Landessieger am Bundesentscheid in Westernohe teilnahm: „Wir schleppen Steine. Wir zerklopfen Steine. Wir kratzen trockenen Lehm zusammen. Prima. Machen wir wie gelernte Arbeiter. Der Landes-VW kommt. Bert (Nowak) rollt lässig über unsere Mühen. Die Konkurrenz kiebitzt. Wir schielen zurück. Die haben weniger. Ich muss schon sagen, die beste Zusammenarbeit meiner Sippe. Glänzend. Kein Streit. Anstrengen. Einsatz. Um 12 Uhr kriegt jeder 1 Apfel und 1 Schluck Wasser. Weiter bis 1 Uhr. Die Prüfer kommen, messen ab. 17 m Weg gebaut in 3 Stunden. Die Spuren halten sogar. Wir machen scharfes Gulasch. Jeder ist entzückt. Holdi leckt den Topf aus. Dann Staffetenlauf. 4 Stationen. Wir werden in Pfadfinderkunde und Verkehrstüchtigkeit (nur im Land Bamberg noch üblich), 1.Hilfe und Singen-Spielen, geprüft. O.K. Abbau. Antreten. Lied. Siegerehrung. Wir erste. In Winter- und Sommeraufgaben. Mit 100 Punkten Abstand. Die Sippe hat es verdient, sie hat gut zusammengearbeitet. Wir müssen uns auf Befehl in Reih´ und Glied bewundern lassen. „Gut Pfad“ – 15 % Gefälle hinab nach Ebermannstadt (man war mit dem Rad da). Die Gedanken fliegen nach Westernohe, zur Bundesausscheidung, mit den anderen Siegersippen in der DPSG.“ Hermann Ott, Kornett.

Bausteinaktion für den Lindersberg

Eine Bausteinaktion (Stückpreis 50 Pfg.) bei den Mitgliedern erbringt 1.250 DM für den Ausbau des Lindersberg. Im April 1959 kann das Haus seiner Bestimmung übergeben werden. Gekocht wurde auf dem Kohleherd, die Öfen in den Schlaf- und Aufenthaltsräumen mussten natürlich selber geheizt werden. In der ersten Informationsbroschüre heißt es: „Der Schlafraum besitzt logischerweise Betten, die mit Strohsack und Wolldecken ausgestattet sind. Daher ist es notwendig, einen eigenen Schlafsack mitzubringen.“

Über 1000 Mitglieder zum 10. Jubiläum

Beim Lindersberg findet Pfingsten 1959 ein Landeslager zur Feier „10 Jahre Land Bamberg“ statt. Es wird von 500 Pfadfindern (und Jungpfadfindern, die damals noch keine eigene Stufe waren) und Georgsrittern (Rovern) besucht. Ein erstes Kuratentreffen wird auf dem Feuerstein durchgeführt. Das Land zählt zum Jahresende 1.068 Mitglieder.

Der Sinn des Hauses

für den Verband wurde Anfang der 60er Jahre so definiert:
„Wir wollen unserer Gemeinschaft Gelegenheit geben, dem natürlichen Drang der Jungen nach Fahrt, Lager und Freizeit zu entsprechen. In der Benutzung eines Heimes oder Hauses liegt auch eine wesentliche Erziehungsmöglichkeit, nämlich die der Ordnung und der Rücksichtnahme und der Achtung. Ein weiterer Sinn liegt darin, dem Land und auch seinen Gauen gute Gelegenheit zu geben, Schulungskurse dort so durchzuführen, wie sie unseren Gemeinschaften entsprechen. Unter diesen Gesichtspunkten sind wir an den Ausbau des Hauses gegangen. Wir hatten nie die Absicht, mit anderen Häusern konkurrieren zu wollen, wozu wir allein schon aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sind.“

Wertvoller Zeltplatz

Der Wert des Hauses für den Verband erhöhte sich durch den vorhandenen Zeltplatz. „Gerade wir als Pfadfinder, die Fahrt und Lager noch als einen Hauptpunkt ihres Programmes betrachten, wissen, was diese Möglichkeiten bedeutet. Die Zahl derjenigen Plätze, auf denen man ohne große Kosten und ohne viel Paragraphen zelten kann, ist äußerst klein und wird zunehmend weniger“ Diese Umstände führten letztlich 1964 auch zur Suche nach einem Zeltgelände, welches in Rothmannsthal dann auch gefunden wurde.

Erster Anbau am Lindersberg

Die Bedeutung des Lindersberg für unsere Kurse und Freizeiten wächst immer mehr. Im Jahr 1962 erfolgte daher der Anbau eines Schlafraumes und damit die Erweiterung des darunter liegenden Aufenthaltsraumes. Bereits seit 1961 mußte jedes Mitglied im Land eine Jahresmarke im Wert von 1,00 DM zur Finanzierung des Hauses erwerben. Später, als dann 1964 Rothmannsthal dazu kam, wurde auf 2,00 DM erhöht. Das hatte bis 1969 Bestand.

Generalsanierung unabwendbar

Bis 1969 kam man noch selbst einigermaßen über die Runden, dann musste das Erzbistum zu Hilfe kommen, denn durch eigene Anstrengungen war es nicht mehr möglich, das Haus in eine zeitgerechte Stätte der Jugendarbeit zu bringen. In 1 ½ Jahren Bauzeit wurde das Gebäude renoviert, neu eingerichtet, erhielt Duschen und Toiletten und eine zentrale Heizungsanlage mit Warmwasser. 1971 wurde endlich eine Wasserleitung gelegt und die anfällige Versorgung durch Tankwagen gehörte der Vergangenheit an. Auch die Stromleitung wurde bei dieser Gelegenheit neu verlegt. Die alte lag zu knapp unter der Oberfläche und wurde häufig beim Pflügen beschädigt.

Telefon „sponsert bei BP“

Es gelang auch eine Telefonleitung zu verlegen, was für die damalige Bundes-Post ziemlich aufwendig war, mussten doch viele Masten zwischen Feuerstein und Lindersberg gesetzt werden. Dank gütiger Unterstützung von Hans-Jörg Hohenester (2. Diöz. Vorsitzender aus St. Ludwig, Nbg.), lief dies als Ausbildungsmaßnahme für Lehrlinge und zwar zur normalen Anschlussgebühr von damals 80,00 DM.

„DK Ø BS“ sendet in alle Welt

Die erste Pfadfinder-Amateurfunkstation auf dem Lindersberg entsteht. Anläßlich des 1. Funkkurses nimmt am 6./7. März „DK Ø BS“ Kontakt auf mit Pfadfinder-Funkstationen in der Welt. So mancher Pfadfinder und Leiter unserer Diözese und viele Funkbegeisterte aus ganz Deutschland, sollten in den nächsten Jahren bei den von Klaus D. Sperling gehaltenen 14-Tägigen Lehrgängen auf dem Lindersberg ihre Lizenz erwerben.

Erneute Erweiterung

Am Lindersberg wird wieder gebaut. Im Dezember 1974 erfolgt das Richtfest für die rückwärtige Erweiterung (Küchenanbau, darüber neuer Schlafraum). Für die Zeltplatznutzer wird am Turm ein Anbau mit Toiletten und Waschgelegenheiten errichtet. Zwischen diesem und dem Küchenanbau entstehen noch Toiletten für das EG und OG. Das Haus erhält somit vom baulichen Umfang her, seine heutige Form.

Sonne spart Öl

Durch den AltEnergie e.V. werden 1991 an der Südseite des Turms zwei Bänder mit Sonnenkollektoren angebracht. So sollen ca. 600 l Heizöl pro Jahr einspart werden. Allerdings waren viele über die optische Veränderung nicht ganz glücklich. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich auch daran.

50 Jahre Diözesanverband Bamberg

Am 19. Juni 1999 wird auf Burg Feuerstein ein großer Festgottesdienst zelebriert, nachdem wegen des unsicheren Wetters dieser nicht am Gründungsort, der Kapelle am Senftenberg, abgehalten werden konnte. Anschließend findet ein Festakt mit 300 Teilnehmern in einem Festzelt beim Lindersberg statt. Als Festredner überbrachte der Bundeskurat, Georg Dittrich, die Glückwünsche des Bundesverbandes und ging in seiner Rede auf die Stärken der DPSG-Arbeit ein. Bert Nowak erhält für seinen Einsatz für den Verband die Verdienstmedaille der DPSG.

Fluchttreppe „ziert“ Turm

Ab dem Jahr 2000/01 wird am Lindersberg wieder in größeren Umfang gebaut. Im Saal werden die etwas düsteren Wandteppiche entfernt und durch Gipskarton ersetzt. Die Holzverkleidung und die Heizkörper erneuert. Freundliche Farben dominieren jetzt. Die Wasch-, Dusch- und Sanitärräume werden modernisiert und erhalten ebenfalls helle und freundliche Fliesen- und Wandgestaltung. Bereits im Jahr 1999 wurde die Küche neu gefliest und eingerichtet. Damit sind zwei von vier geplanten Umbau- u. Modernisierungsphasen abgeschlossen. In den Folgejahren werden noch die Turmzimmer renoviert und das Treppenhaus im Turm neu gestaltet (2002). Weniger erfreulich ist, dass der Turm kurzfristig gesperrt wird, weil im Brandfalle kein zweiter Fluchtweg vorhanden ist. Das hat 2001 den Anbau einer eisernen Wendeltreppe an der Westseite des Turms zur Folge. Kosten über 40.000 DM. Seit dem Anbringen der Sonnenkollektoren am Turm hatte sich äußerlich nichts mehr verändert. Auf diese optische Veränderung, an die man sich erst gewöhnen muss, hätte man gerne verzichtet. Der Sanitäranbau für den Zeltplatz bedarf noch der Sanierung. Überlegungen von der Renovierung bis zum Neubau werden angestellt, sind aber bis jetzt noch nicht beschlossen.

Lindersberg wichtig wie eh und je

Wenn man an die Grundstücksgröße und das Volumen von Rothmannsthal denkt, könnte man versucht sein, die Bedeutung des Lindersberg für unseren Verband zu unterschätzen. Bis weit in die 70er Jahre hinein war natürlich dieses Haus für die Ausbildungskurse vollkommen unentbehrlich. Aber auch heute finden z. B. Woodbadge-Vorbereitungskurse (WBK I) dort statt. Man sollte beide Einrichtungen auch gar nicht miteinander vergleichen, denn jede hat ihren eigenen Charme und jede ist in ihrer Art für uns wichtig. Auch die Zahlen belegen die ungebrochene Beliebtheit nicht nur bei DPSG-Gruppen. Im Jahr 2003 besuchten 1.779 Personen den Platz. Das führte zu insgesamt 7.879 Übernachtungen (4.909 im Haus und 2.970 auf dem Zeltplatz). Ähnlich wie in Rothmannsthal, habe ich die bauliche Entwicklung des Lindersberg, die praktisch mit dem 1. Anbau 1962 einsetzte, miterlebt und einiges im Bild festgehalten. Zusammen mit Bildern anderer Zeitzeugen ist hier – ebenso wie bei der Serie über Rothmannsthal – eine anschauliche Aussage über die Zeit seit 1958 entstanden. Genau genommen, steht der Kernteil des Gebäudes nun seit über 60 Jahren, nämlich seit 1942. 2006 haben wir den Lindersberg für den symbolischen Preis von 1 € vom erzbischöflichen Ordinariat erworben. Im Jahr 2008 wurde, ähnlich wie in Rothmannsthal, ein Sanitärgebäude am Zeltplatz errichtet und eine biologische Kläranlage installiert. Damit wurde die Attraktivität des Platzes den heutigen Ansprüchen angepasst.